Dies war scheinbar eine lange, vielleicht zu lange Vorrede, in Wirklichkeit aber bereits ein Teil meines Vortrages, der meine wissenschaftlichen Tätigkeiten zum Inhalt hat und zumindest einige ihrer Aspekte behandeln soll. Und ein wichtiger Teil dieser Tätigkeiten ist die für alle Seiten fruchtbare Zusammenarbeit mit ungarischen Kollegen in Fragestellungen der analytischen, der probabilistischen und der computerunterstützten Zahlentheorie und der Fraktalgeometrie, um nur einige zu nennen.

Ich werde mich im zweiten Teil meines Vortrags auf Untersuchungen der natürlichen Zahlen, insbesondere der Primzahlen beschränken und versuchen, Ihnen etwas von der Faszination, die von diesen Zahlen ausgegangen ist und immer wieder neu ausgeht, zu vermitteln.

Faszination der Zahlen

Für die Pythagoreer (ca. 520 - 450 v.Chr.) waren die Sterne Götter, die unser Schicksal bestimmen, und zwar nach strengen Gesetzen. In der Harmonielehre gelangte man über die Beziehung "Quinte - Quarte = Ganzton" und die dem Ganzton zugeordnete Proportion (3:2):(4:3) = (9:8) schnell zur pythagoreischen Stimmung. Aus der Bedeutung mathematischer Ordnungsprinzipien in so verschiedenen Bereichen wie Astronomie und Musik folgerten die Pythagoreer nun mathematische Strukturprinzipien der Welt im Ganzen und sahen die Mathematik als Fundament bzw. als Leitprinzip ihrer Weltanschauung an.

Die auf Mathematik gegründete Weltanschauung der Pythagoreer wurde im wesentlichen von Platon übernommen. Für ihn waren Maß, Zahl und Gewicht sowohl Struktur für die Welt im Ganzen, als auch Ordnungsprinzipien und normative Verhaltensprinzipien.

Diese Ordo-Prinzipien, insbesondere ihre Anbindung an religiöse Überlegungen, wurden von mehreren Denkern des Mittelalters - Augustinus, Albert der Große, Thomas von Aquin, Bonaventura - aufgegriffen.

Leibniz setzte in der von ihm projektierten "Characteristica Universalis" neue Prioritäten. "Ein altes Wort besagt, Gott habe alles nach Maß, Gewicht und Zahl geschaffen. Manches aber kann nicht gewogen werden: nämlich all das, dem keine Kraft oder Potenz zukommt, manches auch weist keine Teile auf und entzieht sich somit der Messung. Dagegen gibt es nichts, das der Zahl nicht unterworfen wäre. Die Zahl ist damit gewissermaßen eine metaphysische Grundgestalt, und die Arithmetik eine Art Statik des Universums, in der sich die Kräfte der Dinge enthüllen." Wir können hier nicht weiter darauf eingehen, wie diese Ordnungsprinzipien in anderen kulturellen Bereichen wie z.B. Philosophie, Weltanschauung, Musik, Literatur, Malerei. etc. manifestiert wurden; man vergleiche etwa nur die Ethik Spinozas, dargestellt in seinem Hauptwerk "Ethica, ordine geometrico demonstrata".